Die Geschichte von Irsee
Markgraf Heinrich von Ronsberg und seine beiden Söhne tragen das Modell der romanischen Klosterkirche, die 1699 nach dem Einsturz des Turms abgebrochen wurde. Links: Ausschnitt aus der Stiftertafel des Klosters aus dem 16. Jahrhundert.
Klosteranlage aus dem Deckenfresko der St.-Stephans-Kirche, gemalt von Franz Xaver Bernhardt 1771.
Der Ortsname Irsee hat weder etwas mit einem See zu tun, noch steht er in Zusammenhang mit "irr". In der Klostergeschichte von Ottobeuren taucht etwa 980 n. Chr. ein Geschlecht der Edelherren von Ursin auf. Ihre Stammburg stand an der Stelle der heutigen Friedhofskirche St. Stephan im "Oberen Dorf". Das Geschlecht hat sich nach dem Ort benannt, an dem es lebte. Der Name "Ursin" ist jedoch viel älter. Er geht auf die Zeit der Römer zurück, die das Allgäu für 400 Jahre besetzt hielten.
Die Edelherren von Ursin waren Schutzvögte des Klosters Ottobeuren. Um ihrem Kloster näher zu sein, verließen sie etwa um 1130 ihre Burg in Irsee und ließen sich in einer neuen Burg in Ronsberg nieder. In der Folgezeit wurde das Geschlecht sehr reich an Landbesitz und erhielt die Markgrafenwürde. Im weiteren Geschichtsverlauf wurde aus dem ursprünglichen Namen "Ursin" der Ort "Irsee". Die Geschichtsquellen zählen zahlreiche Abwandlungen der Ortsbezeichnung im Laufe der Zeit (Yrsinun, Ursina, Ursinum, Vrsinvn. Ursin, Versin, Yrsin, Yrsee, Irrsee, Irsee).
Irseer Blätter
Das Schwäbische Bildungszentrum Irsee – Tagungs-, Bildungs und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben – gibt gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt der Marktgemeinde "Irseer Blätter zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee" heraus. Hierin werden die vielfältigen Beziehungen der einstigen Benediktinerabtei wie auch der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt mit dem "Kloster- und Künstlerdorf" näher beleuchtet.
→ Heft 1 / Mai 2019 Irsee – Die Bibliothek eines ostschwäbischen Benediktinerklosters und ihre Erforschung
→ Heft 2 / Oktober 2019 Irsee – Texte zur Gründungsgeschichte von Irsee und seines ehemaligen Klosters
→ Heft 3 / April 2020 Irsee – Die wissenschaftlichen Sammlungen des Klosters Irsee und ihr Verbleib nach der Säkularisation 1802
→ Heft 4 / November 2020 Irsee – Beglückende wie schmerzliche Erinnerungen an das Leben in Irsee zwischen 1945 und 1972
→ Heft 5 / Februar 2021 Irsee – Geschichte von Kloster Irsee zur Zeit der Säkularisation (1802/03)
→ Heft 6 / Juli 2021 Irsee – 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Irsee 1871–2021
→ Heft 7 / Mai 2022 Irsee – 100 Jahre Musikverein Irsee 1922–2022
→ Heft 8 / September 2022 Irsee – Labora et lege. Das Sommerhaus von Kloster Irsee.
→ Heft 9 / Dezember 2022 Irsee – Weihnachtskrippen in Irsee – und kleine Einblicke in Familiengeschichten
→ Heft 10 / Mai 2023 Irsee – Das Haus des Klosters Irsee in Kaufbeuren
→ Heft 11 / Dezember 2023 Irsee – Josef Guggenmos, ein Dichter aus Irsee und das Geheimnis der Welt
→ Heft 12 / Mai 2024 Irsee – Die Anstaltsgärtnerei Irsee (1849–1974)
→ Heft 13 / November 2024 Irsee – Die Weingüter des Klosters Irsee am Bodensee
In den Tagen um etwa 1180 hatten sich im Wald von Eiberg fromme Männer um den Einsiedler Heinrich geschart. Sie bauten eine Kapelle. Menschen aus nah und fern suchten bei den Waldbrüdern, zu denen sich auch ein Priester gesellt hatte, Trost und Hilfe. Markgraf Heinrich von Ursin-Ronsberg schenkte ihnen den Wald von Eiberg und erbat sich aus dem Kloster Isny den Mönch Wernher als Vorsteher für die Gemeinschaft, die nun nach der Regel des heiligen Benedikt leben sollte. Damit war das Kloster Irsee 1182 gegründet. Obwohl eine Urkunde über diese Stiftung wohl nie ausgestellt wurde, gilt dieses Jahr als das Gründungsjahr von Kloster und Ort. Im Jahr 1185 überließ Markgraf Heinrich den frommen Brüdern die längst verlassene Stammburg Ursin oben am Berg. Schon wenige Jahre später beschlossen die Mönche unter ihrem ersten Abt Cuono einen Neubau im Tal, wo ihnen das Wasser zufloss, statt es bergan tragen zu müssen. Nach einem Jahrhundert des Erblühens der neuen Abtei folgten schwere Zeiten. Missernten, Teuerungen, Hungersnot, Kriegsnöte, Belagerungen und prachtliebende Äbte brachten das Irseer Kloster an den Rand des Ruins. Um etwa 1370 wirtschaftete Abt Peter von Baisweil das Kloster so sehr herunter, dass die Mönche in fremden Klöstern Zuflucht suchen mussten. Mit Einwilligung des Bischofs von Augsburg nahm die Burgherrin und Vögtin von Kemnath, Maria Ellerbach, die Leitung des Klosters in ihre Hand und sanierte es in 20-jähriger mustergültiger Verwaltungsarbeit. Im späten Mittelalter zählte die Abtei Irsee zu den bedeutendsten im Bistum Augsburg.
Die Neuzeit bringt allerorten Unruhe ins religiöse und soziale Leben. Im Bauernaufstand 1525 wollen sich die Bauern von den Frondiensten, Zehenten und Leibeigenschaften befreien. Auch die Untertanen des Irseer Klosterlandes erheben sich gegen ihren Grundherrn. Wütend ziehen sie, mit Sensen und Dreschflegeln bewaffnet, zum Kloster Irsee und plündern und zerstören es. Der Konvent flüchtet in den Klosterhof nach Kaufbeuren. Am 18. Mai 1525 setzen die Bauern den roten Hahn aufs Klosterdach. Mit dieser Einäscherung endeten die Drangsale. Das Kloster erstellte einen Notbau – der eigentliche Klosterbau zog sich jahrelang hin. Der Dreißigjährige Krieg brachte neues Unheil. Die Abtei Irsee wurde fünfmal von schwedischen Truppen verwüstet, obendrein noch von kaiserlichen Kroaten und danach von französischen Truppen geplündert. Lange Zeit war das Kloster so arm, dass es nur etwa ein halbes Dutzend Mönche aufnehmen konnte. Auch das Dorf leidet unsäglich. Im Gefolge des Krieges holt schließlich die Pest ihre Opfer aus jedem Haus.
Die alte Klosterkirche war baufällig geworden. Am Pfingstfest des Jahres 1699 stürzte der mächtige Sattelturm ein und begrub den Chor unter seinen Trümmern. Schon nach wenigen Monaten wurde unter Abt Romanus Köpfle der Grundstein für ein neues Gotteshaus gelegt. Baumeister war Franz Beer aus Vorarlberg. Dem berühmten Barockbaumeister stand der 19-jährige Wessobrunner Stukkateur Joseph Schmutzer ebenbürtig zur Seite. Nach nur drei Jahren Bauzeit war die Klosterkirche fertig, am 13. Oktober 1704 wurde sie geweiht. Hier sei nur eine Besonderheit der Innenausstattung genannt: die Schiffskanzel, die in ihrer Art einzigartig ist und zum Wahrzeichen der Irseer Kirche wurde.
An der Schwelle zum 18. Jahrhundert steht ein in besonderem Maße verdienstvoller Abt dem Irseer Kloster vor. Es ist Romanus Köpfle aus Reutte in Tirol. Nicht nur der Kraftakt des Kirchenneubaus wurde unter seiner Führung bewerkstelligt. Sein besonderer Verdienst ist es, dass Irsee mit seinem Herrschaftsgebiet reichsunmittelbar wird und somit der Prälat – das ist der Abt als Grundherr – Sitz und Stimme im Reichstag hat. Unter Abt Willibald Grindl wurden die Klostergebäude völlig neu gebaut. Die Pläne für diese Anlage werden dem Irseer Mönch Magnus Remy zugeschrieben, der auch zahlreiche Gemälde in der Kirche schuf. Während der 34-jährigen Amtszeit (1731–1765) von Abt Bernhard Beck wurde Irsee zu einem Zentrum des geistigen und wissenschaftlichen Lebens in Schwaben und weit über dessen Grenzen hinaus. Gefördert wurden neben Theologie und Philosophie besonders das Studium der Mathematik und der Physik sowie die Musikpflege. Das Naturalienkabinett in Irsee mit seinen mathematischen und physikalischen Geräten erlangte Berühmtheit. Zu Ende des 18. Jahrhunderts galt Irsee als Sitz großer Gelehrtheit.
Im Jahr 1782 – es war das 600-jährige Jubiläum des Klosters – wurde erstmals ein Viehmarkt in Irsee abgehalten. Drei Jahre später fand gleichzeitig auch ein Kramermarkt statt. Auf diesem anfangs zweimal im Jahr stattfindenden Markt geht noch heute der Titel des Ortes "Markt Irsee" zurück.
Von den französischen Revolutionskriegen und den napoleonischen Feldzügen bleibt Irsee nicht verschont. Flüchtlinge ersuchen Unterkunft im Kloster; Durchmärsche, Einquartierungen und Kriegsleistungen lassen ein erschöpftes Land zurück. Das bittere Ende ist die Aufhebung des Klosters im Jahre 1802. Dieses letzte Kapitel in der Geschichte der Benediktinerabtei Irsee bedeutet für den Ort Irsee Abschied von vertraut und lieb gewordenem, von jahrhundertelangem Neben- und Miteinander, Verlust seiner geistigen und geistlichen Mitte. Zum Herrschaftsgebiet des Klosters gehörten damals: Irsee, Romatsried, Eggenthal, Baisweil, Lauchdorf, Ingenried, Schlingen, Ketterschwang, Rieden, Pforzen, Leinau, Mauerstetten mit insgesamt 3221 Einwohnern und einem Viehbestand von 932 Pferden, 3163 Stück Rindvieh, 2199 Kälbern und Schafen.
Die Klosterkirche wird 1804 zur neuen Pfarrkirche für den Ort bestimmt. Für die bisherige Pfarrkirche "St. Stephan" wird ein kompletter Abriss angeordnet, der jedoch nach jahrelangem Ringen zwischen Gemeinde und Staat abgewendet werden konnte. Im Konventgebäude des Klosters wurde 1803 ein Landrichteramt eingerichtet, das jedoch schon ein Jahr später nach Kaufbeuren verlegt wurde. In Irsee verblieb bis 1828 noch das Rentamt, in dem die Bürger ihre Steuern bezahlen mussten. Zuletzt war noch die Pfarrerswohnung in Teilen des Klostergebäudes untergebracht. Als auch der örtliche Seelsorger 1834 in den neu erbauten Pfarrhof umgezogen war, stand das Kloster leer. Während umliegende Nebengebäude – wie etwa die ehemalige Klosterbrauerei, das Haus des Oberamtmannes oder das Gerichtsgebäude – in Privatbesitz übergingen, konnte das Hauptgebäude mangels Nachfrage nicht veräußert werden.
Am 1. September 1849 wurde schließlich vom damaligen Bezirk Schwaben eine Kreisirrenanstalt mit zunächst 80 Patienten in den ehemaligen Räumen des Klosters Irsee eingerichtet. Wie schon zuvor war mit dieser Institution wieder ein für Irsee bedeutender Wirtschaftsfaktor vor Ort. Zahlreiche Irseer Bürger hatten einen Arbeitsplatz in der Anstalt oder standen als Handwerker oder Dienstleister in Geschäftsbeziehungen. Um die Jahrhundertwende und nochmals um etwa 1920 erwägte man die Schließung der Anstalt, wozu es aber nicht kam.
Mit den Jahren des Dritten Reiches schlitterte die Heil- und Pflegeanstalt in Irsee zusammen mit der Hauptstelle in Kaufbeuren in ihr dunkelstes Kapitel seit Bestehen: die Euthanasie-Aktionen von 1939 bis 1945. Die unmenschliche Rassenideologie des Nationalsozialismus und die daraus folgenden Aktionen zur "Vernichtung unwerten Lebens" werden auch in der Heil- und Pflegeanstalt in Irsee und Kaufbeuren praktiziert. Über 2000 Patienten (Erwachsene und Kinder) werden in Vernichtungsanstalten deportiert, sterben nach Verordnung einer fettlosen Hungerkost (E-Kost) oder werden mittels Spritzen und Überdosen von Medikamenten direkt umgebracht. Erst einige Wochen nach Kriegsende wurden die grausamen Aktionen der Euthanasie beendet.
Die Heil- und Pflegeanstalt machte einen Neuanfang. Mit der Zeit änderten sich in der Psychiatrie die Behandlungsmethoden. Die bloße Verwahrung der Patienten in der Anstalt wird nach und nach durch sinnvolle Arbeitstherapie ersetzt. Und so war es im Ort bald ein gewohnter Anblick, dass Patienten auf den Handwerks- und Gartenbaubetrieben der Anstalt bei der täglichen Arbeit mithalfen.
Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte der Fortbestand der Heil- und Pflegeanstalt bereits über 100 Jahre. Die Bausubstanz des ehemaligen Klostergebäudes war durch die strapazierende Nutzung abgewirtschaftet und durch Bodensenkungen stellenweise einsturzgefährdet. 1965 beschloss der Bezirk Schwaben die Schließung der Anstalt mit anschließendem Abbruch der Klostergebäude. Zunächst mussten jedoch alle Patienten verlegt werden, was schließlich noch weitere sieben Jahre dauerte. Eine Wartezeit, die für Irsee eine glückliche Wende herbeiführte. Der Bezirkstag revidierte seinen zuvor gefassten Beschluss zum Abbruch und entschied sich 1974 für die Einrichtung eines schwäbischen Bildungszentrums im ehemaligen Kloster Irsee. Die umfangreichen Renovierungsmaßnahmen von Klostergebäude und -kirche konnten 1981 abgeschlossen werden und somit ein weiteres Kapitel beginnen.
Seit nunmehr 35 Jahren (2016) erarbeitet sich nun das "neue" Kloster Irsee als Bildungseinrichtung des Bezirks Schwaben einen Ruf, der über Schwaben hinaus Gäste aus der ganzen Welt zu Tagungen und Seminaren in die alten Klostermauern zieht, in denen Kunst und Kultur wie zu Zeiten der Benediktiner einen hohen Stellenwert genießen.
Irseer Geschichtswerkstatt
"Um das ortskundliche Geschichtsbewußtsein lebendig zu halten und weitergeben zu können, benötigt jedes Dorf eine 'Geschichtskammer' als Ort des Sammelns und der Pflege von kunst- und kulturgeschichtlichen Zeugnissen sowie zu ihrer Erforschung." (Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl).
Zu diesem Zweck hat sich 2008 mit der "Geschichtswerkstatt Irsee" ein Arbeitskreis interessierter Bürgerinnen und Bürger gefunden. Ziel ist das Sammeln, Archivieren und Bewahren von Dokumenten und Materialien zur Irseer Geschichte. Dazu zählen z. B. Bilder, Fotografien, Briefe, Bücher, Poesiealben, Sterbebildchen, kleinere Objekte mit Ortsbezug und vieles mehr. Kurz alles, was erhaltenswert und für eine spätere Ortsgeschichte von Interesse sein kann.
Die Geschichtswerkstatt soll aber auch Gelegenheit zu Information und Austausch bieten; für unsere Sammlungen können passende Objekte zur Begutachtung oder Archivierung vorbeigebracht werden.
Ansprechpartner
Christian Strobel
Gebath-Hang 9
87660 Irsee
Telefon 08341/9661681 oder die Gemeindeverwaltung
E-Mail antiquariat-strobel(at)t-online.de
Öffnungszeiten
In der Regel jeden ersten Freitag im Monat von 16–18 Uhr (oder nach Absprache).